Basil Beattie
Here and Now
30.8.— 25.10.2024
Eröffnung
Freitag, 30.8.2024, 17 Uhr
Fenster, Einblicke in Eisenbahntunnel, Rückspiegel - die abstrakten Gemälde des 1935 in West Hartlepool an der englischen Ostküste geborenen Malers Basil Beattie laden zur freien Assoziation ein. Schnell lassen sich Storys aus den ausschnittsweise präsentierten Symbolen und Formen denken: Ein Blick aus dem Rückfenster eines fahrenden Autos; Kinder, die längst stillgelegten Schienen folgen; eine Flucht aus einer Höhle und die Enttäuschung einer zerbrochenen Strickleiter.
Viele dieser Geschichten sind geprägt von Gleichzeitigkeit: Vergangenheit und Gegenwart prallen in ihnen aufeinander, eine unsichere Zukunft ist beschieden. Es wachsen, geradezu plakativ und flat, wie Nebensächlichkeiten, ganze Welten aus dem Bild heraus: Mal eine Straße, ein Horizont, mal eine ganze Landschaft. Die charakteristische gedeckte Farbpalette wird nur selten durch ein orange-schimmerndes Ocker oder durch ein vibrierendes Berliner Blau gekontert. Dann meint man Wasser zu erkennen oder im Rostrot eine trostlose Einöde zu identifizieren. Alles genauso geläufig wie fremd.
Das Bekannte und das Unbekannte – es ist eine wiederkehrende dialektische Figur, die sich im Werk Basil Beatties entdecken lässt. Kipppunkte vom figürlichen Objekt zur bloßen Abstraktion untersucht Beattie bereits seit den Achtziger Jahren. Bis dahin war er Anhänger des im UK sehr populären Abstrakten Expressionismus. Parallel und in Antwort zu den Pop-Künstler*innen der Independent Group und ähnlicher Vereinigungen war die behände ausgeführte Abstraktion das Nonplusultra geworden. „Wir waren hier im UK immer zwischen der französisch-kontinentalen Schule [Informel] und jener Gruppe der US-amerikanischen Künstler um Rothko und De Kooning unentschieden“, erzählt Beattie heute. Beatties Malerei war in dieser Phase noch stärker als heute von profunder Gestik geprägt: „Der Künstlers Innenleben zeigt sich in der Bewegung und der Substanz der Farbe verschlüsselt.“
Anfang der Achtziger Jahre verabschiedet er sich schlagartig von diesen abstrakt-expressionistischen Motiven und führt Myriaden von Symbolen in seine Bilderwelt ein: Hieroglyphen, geometrische Körper, Zeichen, schon bald folgen Tunnel, Straßen, Bögen, Fenster, Treppen, Leitern. Doch bleiben diese Symbole stets unaufgelöst respektive immer nur genau das: ein Symbol, das gedeutet werden kann, aber nie der Gegenstand, das Beschreibende selbst wird. Ende der Achtziger jugglet (jongliert) er mit Bildinhalten, lässt sie über und ineinander kullern, später folgen folgenschwere Reduktionen, die sich auf einen kleinen Kanon an Formen beschränken. Die Farbpalette wird erdiger, gedämpfter, konzentrierter, gediegen, aber nie kalt. Seine Werkgruppen, die seit den Neunziger Jahren entstanden sind, werden von energetisch aufgetragenen, geometrischen Formen getragen, die nun dauerhaft zwischen verschiedenen Stadien changieren: Vexierbildern gleich, sind sie hier eine Treppe, dort ein Farbfeld, heute ein Symbol und morgen die konkret greifbare Ausformung eines auf Leinwand gebannten Objekts. Eine Treppenstufe ist eine Treppenstufe, auch wenn sie ins Bild gesetzt ist, oder nicht?
Es ist eine Frage des Wahrnehmungs- und Wiedererkennungswillens. Wofür die Symbole in den Gemälden und Papierarbeiten stehen, das soll auch in diesem Fall jede*r für sich selbst entscheiden, sagt Beattie. Leitern, Torbögen, Tunnel stehen dabei stellvertretend für ihre realweltlichen Signifikanten, zeitgleich (be-)deuten sie über ich hinaus, sind Orte des Übergangs, Transitzonen zwischen den Bewusstseinsebenen. Ja, Beatties Vater war als Signalwärter im Norden Englands beschäftigt, biografische Lesarten stehen dennoch nie im Mittelpunkt des Bildes. Diese entwickeln ihre Inhalte oftmals auf andere Weise: „Wenn ich male und vor den Bildern stehen, dann wollen diese immer nach oben wachsen. So entstehen die Leitern oder Treppen in meinen Gemälden“, das einzelne Bild entwickelt bei Basil Beattie ein Eigenleben, gibt vor, wohin es sich entwickeln möchte.
Dieser Aufstieg, diese Bewegung aus dem Bildrahmen hinaus, ist indes kein sicherer Weg, sondern heißt Gefahr: Das großformatige Ölgemälde „Trapped in Flatness“ entwickelt eine innere Psychologie, in der die Unsicherheit und die Fährnis bereits im Titel stecken. In der Flachheit gefangen – ein Los des Bildes, das sich versucht zu wehren. Aus den vier Ecken wachsen Bildvignetten: Ein Tunnel, ein Raum, ein Steg, ein zweiter Tunnel. Es sind simple Formen, dem Piktogramm verwandte Reduktionen, die aber doch in der Flachheit der Zweidimensionalität gefangen bleiben. In dem Sinne wird jeder Versuch, etwas anderes als die Flachheit des Gemäldes zu behaupten zu einem aussichtslosen Manöver.
Während Basil Beattie in Deutschland bis dato kaum rezipiert wurde, ist er als Mitglied (seit 2010 als Senior Mitglied) der Royal Academy einer der bedeutendsten lebenden Künstler Großbritanniens. Etliche Einzel- und Gruppenausstellungen unterstreichen diesen Status, ebenso ist er in der Sammlung des Tate Britain vertreten. Welche Bedeutung Beattie auch als Tutor und Lehrer hatte, lässt sich leicht anhand einer Anekdote zeigen, die der Young British Artist Damien Hirst in einem Interview für das Goldsmith College rezitiert: „[I]n my first year I saw [tutor] Basil Beattie. I was doing these collages and he said I shouldn’t really be here if that’s what I was doing. […], so I ended up breaking them all up […]. I think my ‘spot’ paintings came out of that.”
Er selbst habe in dieser Phase viel über das eigene Werk nachgedacht und reflektiert; von der Abenteuerlust der Kunststudent*innen am Goldsmith profitiert. DOD gallery zeigt gleich mehrere Bilder aus den 80er und 90er Jahren, die noch nie in Deutschland gezeigt wurden. Außerdem ist DOD gallery besonders stolz eine einzigartige Zusammenstellung mit weiteren Gemälden und Zeichnungen aus den letzten 20 Jahren zu präsentieren. Ein Glanzlicht der britischen Malerei erstmalig in Köln.
Lars Fleischmann
Basil Beattie
Here and Now
30.8.— 25.10.2024
Eröffnung
Freitag, 30.8.2024
17 Uhr
Fenster, Einblicke in Eisenbahntunnel, Rückspiegel - die abstrakten Gemälde des 1935 in West Hartlepool an der englischen Ostküste geborenen Malers Basil Beattie laden zur freien Assoziation ein. Schnell lassen sich Storys aus den ausschnittsweise präsentierten Symbolen und Formen denken: Ein Blick aus dem Rückfenster eines fahrenden Autos; Kinder, die längst stillgelegten Schienen folgen; eine Flucht aus einer Höhle und die Enttäuschung einer zerbrochenen Strickleiter.
Viele dieser Geschichten sind geprägt von Gleichzeitigkeit: Vergangenheit und Gegenwart prallen in ihnen aufeinander, eine unsichere Zukunft ist beschieden. Es wachsen, geradezu plakativ und flat, wie Nebensächlichkeiten, ganze Welten aus dem Bild heraus: Mal eine Straße, ein Horizont, mal eine ganze Landschaft. Die charakteristische gedeckte Farbpalette wird nur selten durch ein orange-schimmerndes Ocker oder durch ein vibrierendes Berliner Blau gekontert. Dann meint man Wasser zu erkennen oder im Rostrot eine trostlose Einöde zu identifizieren. Alles genauso geläufig wie fremd.
Das Bekannte und das Unbekannte – es ist eine wiederkehrende dialektische Figur, die sich im Werk Basil Beatties entdecken lässt. Kipppunkte vom figürlichen Objekt zur bloßen Abstraktion untersucht Beattie bereits seit den Achtziger Jahren. Bis dahin war er Anhänger des im UK sehr populären Abstrakten Expressionismus. Parallel und in Antwort zu den Pop-Künstler*innen der Independent Group und ähnlicher Vereinigungen war die behände ausgeführte Abstraktion das Nonplusultra geworden. „Wir waren hier im UK immer zwischen der französisch-kontinentalen Schule [Informel] und jener Gruppe der US-amerikanischen Künstler um Rothko und De Kooning unentschieden“, erzählt Beattie heute. Beatties Malerei war in dieser Phase noch stärker als heute von profunder Gestik geprägt: „Der Künstlers Innenleben zeigt sich in der Bewegung und der Substanz der Farbe verschlüsselt.“
Anfang der Achtziger Jahre verabschiedet er sich schlagartig von diesen abstrakt-expressionistischen Motiven und führt Myriaden von Symbolen in seine Bilderwelt ein: Hieroglyphen, geometrische Körper, Zeichen, schon bald folgen Tunnel, Straßen, Bögen, Fenster, Treppen, Leitern. Doch bleiben diese Symbole stets unaufgelöst respektive immer nur genau das: ein Symbol, das gedeutet werden kann, aber nie der Gegenstand, das Beschreibende selbst wird. Ende der Achtziger jugglet (jongliert) er mit Bildinhalten, lässt sie über und ineinander kullern, später folgen folgenschwere Reduktionen, die sich auf einen kleinen Kanon an Formen beschränken. Die Farbpalette wird erdiger, gedämpfter, konzentrierter, gediegen, aber nie kalt. Seine Werkgruppen, die seit den Neunziger Jahren entstanden sind, werden von energetisch aufgetragenen, geometrischen Formen getragen, die nun dauerhaft zwischen verschiedenen Stadien changieren: Vexierbildern gleich, sind sie hier eine Treppe, dort ein Farbfeld, heute ein Symbol und morgen die konkret greifbare Ausformung eines auf Leinwand gebannten Objekts. Eine Treppenstufe ist eine Treppenstufe, auch wenn sie ins Bild gesetzt ist, oder nicht?
Es ist eine Frage des Wahrnehmungs- und Wiedererkennungswillens. Wofür die Symbole in den Gemälden und Papierarbeiten stehen, das soll auch in diesem Fall jede*r für sich selbst entscheiden, sagt Beattie. Leitern, Torbögen, Tunnel stehen dabei stellvertretend für ihre realweltlichen Signifikanten, zeitgleich (be-)deuten sie über ich hinaus, sind Orte des Übergangs, Transitzonen zwischen den Bewusstseinsebenen. Ja, Beatties Vater war als Signalwärter im Norden Englands beschäftigt, biografische Lesarten stehen dennoch nie im Mittelpunkt des Bildes. Diese entwickeln ihre Inhalte oftmals auf andere Weise: „Wenn ich male und vor den Bildern stehen, dann wollen diese immer nach oben wachsen. So entstehen die Leitern oder Treppen in meinen Gemälden“, das einzelne Bild entwickelt bei Basil Beattie ein Eigenleben, gibt vor, wohin es sich entwickeln möchte.
Dieser Aufstieg, diese Bewegung aus dem Bildrahmen hinaus, ist indes kein sicherer Weg, sondern heißt Gefahr: Das großformatige Ölgemälde „Trapped in Flatness“ entwickelt eine innere Psychologie, in der die Unsicherheit und die Fährnis bereits im Titel stecken. In der Flachheit gefangen – ein Los des Bildes, das sich versucht zu wehren. Aus den vier Ecken wachsen Bildvignetten: Ein Tunnel, ein Raum, ein Steg, ein zweiter Tunnel. Es sind simple Formen, dem Piktogramm verwandte Reduktionen, die aber doch in der Flachheit der Zweidimensionalität gefangen bleiben. In dem Sinne wird jeder Versuch, etwas anderes als die Flachheit des Gemäldes zu behaupten zu einem aussichtslosen Manöver.
Während Basil Beattie in Deutschland bis dato kaum rezipiert wurde, ist er als Mitglied (seit 2010 als Senior Mitglied) der Royal Academy einer der bedeutendsten lebenden Künstler Großbritanniens. Etliche Einzel- und Gruppenausstellungen unterstreichen diesen Status, ebenso ist er in der Sammlung des Tate Britain vertreten. Welche Bedeutung Beattie auch als Tutor und Lehrer hatte, lässt sich leicht anhand einer Anekdote zeigen, die der Young British Artist Damien Hirst in einem Interview für das Goldsmith College rezitiert: „[I]n my first year I saw [tutor] Basil Beattie. I was doing these collages and he said I shouldn’t really be here if that’s what I was doing. […], so I ended up breaking them all up […]. I think my ‘spot’ paintings came out of that.”
Er selbst habe in dieser Phase viel über das eigene Werk nachgedacht und reflektiert; von der Abenteuerlust der Kunststudent*innen am Goldsmith profitiert. DOD gallery zeigt gleich mehrere Bilder aus den 80er und 90er Jahren, die noch nie in Deutschland gezeigt wurden. Außerdem ist DOD gallery besonders stolz eine einzigartige Zusammenstellung mit weiteren Gemälden und Zeichnungen aus den letzten 20 Jahren zu präsentieren. Ein Glanzlicht der britischen Malerei erstmalig in Köln.
Lars Fleischmann